Hansi-Tapete

(Digitalausdruck 420cm x 320 cm, 2008)

Hansitapete

Hansitapete Gesamtansicht

Namensgeber für die Hansi-Tapete, die die wechselvolle Geschichte des Elsass thematisiert ist der elsässische Künstler Hans Waltz (1873 – 1951), der sich selbst Hansi nannte. Nur mit knapper Not überlebte Hansi die Verfolgung durch die Gestapo. Seine populären Illustrationen lassen bei genauerer Betrachtung eine tiefe Germanophobie erkennen. Umso mehr verwundert heute, dass Hansis liebevoll gezeichneten Figuren ohne ihre politischen Bezüge als Püppchen, Porzellandekor oder Postkartenmotive zum Inventar jedes gut sortierten elsässischen Souvenirladens gehören.

Hansitapete im Detail

Hansi bewohnt auf der Tapete eine Pilzwohnung mit Storch auf dem Dach und vom Himmel rieseln die Knochen der Vogesenschlachten des Ersten Weltkriegs. Wie auf einem Gobelin reihen sich die historischen Ereignisse, Orte und Personen der elsässischen Geschichte zu einer großen Erzählung aneinander. Der Kettfaden der Tapete führt vom Gründungsmythos des Elsass, der Legende um die Heilige Odilia, über die von Kaiser Wilhelm II. neu aufgemauerte Haut-Kœnigsbourg bis hinunter in die Rheineben zu den Bunkern der Maginot-Linie und wieder hinauf zum Konzentrationslager Struthof in den Vogesen.

Der elsässische Künstler Tomi Ungerer beschrieb das KZ Natzweiler mit folgenden Worten beschrieben hat:

"In den Vogesen bei Natzwiller hatten die Nazis das höchstgelegene KZ Deutschlands errichtet: den Struthof. Idyllisch mit Sicht auf die Rheinebene, nicht weit vom Odilienberg, dem Wallfahrtsort der heiligen Odilia, der elsässischen Schutzpatronin, begrüßte Kommandant Kramer die Häftlinge vor einem Galgen. Transporte bei Nacht und Nebel lieferten das ´Material´ für die Zwangsarbeit in Steingruben und für die Experimente mit Giftgas und Typhus."

Natzweiler

KZ Natzweiler

Scheinbar Banales wie Namen und Logos von deutschen Supermarktketten, die sich im Elsass niedergelassen haben, steht neben der gotischen Rosette des Straßburger Münsters oder dem Emblem der Maginot-Linie mit dem Leitspruch "On ne passe pas". Abgebildet als Skelette in der Tradition des oberrheinischen Totentanzes lassen sich auf der Tapete die Touristen von der elsässischen Gastronomie verwöhnen, während unten in der Küche Hansi mit seiner Freundin Lisette, eingeklemmt zwischen riesigen Schinken und Würsten, im Sauerkraut schaufelt.

Tapetenausschnitt "On ne passe pas"

"On ne passe pas"

An anderer Stelle entdeckt der Betrachter den Schattenriss von Oberlin, dem Pastor und Menschenfreund, in dessen Pfarrhaus der verwirrte Lenz in dem Roman von Georg Büchner Obdach gefunden hatte. Oberlin ist traurig, er weint, denn all seine humanistischen Bemühungen um die Erziehung junger Menschen gehen bei den Krawallen in der Straßburger Trabantenstadt Neuhof in den Flammen der brennenden Autos auf. Nicht weit entfernt davon liegt eine Erdbeerplantage, deren Pflanzen auf das Paradiesgärtlein, einem Tafelbild der naturalistischen mittelalterlichen Malerschule von Straßburg verweisen. Umrankt wird der Märchenwald von einem Blütenflor aus dem Musterkatalog der Soufflenheimer Keramikwerkstätten, deren volkstümliche Ornamente auf den Terrinen für Gänsestopfleber zum festen Bestandteil touristischer Mitbringsel geworden sind. Und hoch oben klettern die Eichhörnchen, die das Emblem der französischen Sparkasse "Caisse d’epargne" aus den 70er-Jahren darstellen, den Stamm einer Tanne hinauf.

elsässische Küche

Elsässische Küche

Trotz aller Geschichtsträchtigkeit und der Detailfreude in der Darstellung des elsässischen Kosmos drängt sich die Wandarbeit von Florian Haas an keiner Stelle dem Betrachter auf, denn sie bleibt immer das, was sie ist – eine Tapete. Zurückhaltend in der Farbigkeit, als wären die historischen Ereignisse schon etwas verblasst, lassen sich die einzelnen Bahnen durch ihren Rapport an der Wand beliebig kombinieren. Im Hintergrund erscheint immer die blaue Kette der Vogesen, vor der sich ein Fries aus immer gleichen Tannen wiederholt. Das auf der Tapeten verwendete Bildmaterial wie botanische Zeichnungen, historische Postkarten, Buchillustrationen, Abbildungen aus dem Internet oder Stadtansichten hat Florian Haas von eigener Hand mit der Computermaus in detailgetreue Illustrationen übertragen.

Pilzhaus

Pilzhaus

Bei der Entstehung der Hansi-Tapete haben sicherlich auch die verwandtschaftlichen Beziehungen des Künstlers nach Straßburg eine Rolle gespielt. Er selbst sagt dazu: "In meiner Kindheit hatte ich mit meinen Eltern wiederholt Tante Hermine in Straßburg besucht. Am Kaiserstuhl vorbei rollten wir über die polternde Pontonbrücke bei Sasbach nach Frankreich. Ich jammerte so lange, bis mein Vater bei der Schleuse des Rheinseitenkanals anhielt, und hörte nicht auf zu quengeln, bevor nicht das Schiff das geöffnete Schleusentor verlassen hatte. Weiter ging es durch ein fremdes Land, in dem die Autos gelbe Scheinwerfer hatten, vorbei an grell bunten Einfamilienhäusern nach Straßburg. Die Verwandtschaft war wohlhabend. Man besaß ein Schloss, einen Berg, sprach Französisch und ausnahmsweise mit uns auch einmal Deutsch. Tante Annette machte sich jedes Mal einen Spaß daraus, das schüchterne Kind durch die bürgerliche Wohnung zu jagen, um es auf französische Art zu herzen."