Kulturkampf 2019 Linolschnitt 200 cm x 1000 cm

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Die sehr persönliche Kunstgeschichte

Der Linolschnitt Kulturkampf ist die sehr persönliche Kunstgeschichte von Florian Haas. Auslöser für die Arbeit war eine Ausstellung im Haus der Kulturen in Berlin (2017), die aufzeigte, wie sich der amerikanische Geheimdienst als Kunstmäzen engagierte. Schaltstelle für den Kulturkampf war der 1950 in Berlin gegründete „Kongress für Kulturelle Freiheit“ (CCF), dessen größter Sponsor der CIA war. Es herrschte Kalter Krieg, in dem sich die zwei Supermächte bis auf die Zähne bewaffnet gegenüberstanden. Die ideologische Auseinandersetzung der zwei Machtblöcke wurde aber auch kulturell geführt. In der freien Welt spritzte Jackson Pollock seine Drippings über die Leinwände, während jenseits des Eiserne Vorhangs der Monumentalbildhauer Lew Kerbel mit seinen Marx und Lenin Skulpturen die Hauptstädte des Ostblocks möblierte. Gegensätzlicher konnte man sich Kunst kaum vorstellen: Abstrakter Expressionismus kontra sozialistischem Realismus.

Das künstlerische Erbe des CIA

Dass die Ostkunst im Dienst der kommunistischen Partei stand und es eine ihrer vornehmsten Aufgaben war, die Führer der Revolution zu verherrlichte, wusste jeder aber dass der CIA Künstler wie Mark Rothko, Barnett Newman oder Jackson Pollock vor den Karren spannten, um die Werte der sogenannten freien Welt zu postulieren, war bisher wenig bekannt.

Auf der Wandarbeit Kulturkampf prallen beide Ideologien aufeinander. Auf der westlichen Seite haben sich die Künstler der Avantgarde in dem Farbnetz eines Dripping von Pollock verfangen, währen die Ost-Künstler mit einer roten Fahne angeprescht kommen. Am Boden liegen die Trümmer der sozialistischen Monumentalkunst.

Des Surikov Institut

Ein weiterer wesentlicher Aspekt des Linolschnitts besteht in seinem autobiografischen Hintergrund, der an vielen Stellen immer wieder aufblitzt. So findet der Betrachter zum Beispiel an einer Stelle die einst führend Kunstakademie der Sowjetunion, das Surikov Institut auf dem Wandbild abgebildet.

Im März 2019 flog Florian Haas als Teil der Künstlergruppe Finger zu der Vorbereitung der Ausstellung „The Coming World: Ecology as the New Politics im Garage Museum“ nach Moskau. Auf die Frage der Kuratorinnen, was er denn gerne sehen würde: Den Roten Platz, den Kreml oder die Basilius Kathedrale war seine Antwort, er wolle einzig das Surikov Institut besuchen, wo er sich vor 30 Jahren einen verregneten Sommer lang als Austauschstudent aufhielt.

Die Delegation des Garage Museum

So kam es, dass Florian Haas mit einer Delegation des Garage Museums seine alte Kunstakademie wieder besuchen konnte. Empfangen wurden sie im düstere Foyer des Surikov Instituts von wo sie in das schäbige Büro des Direktors geführt wurden. Dem schloss sich ein Rundgang durch die Ateliers der Kunstakademie an, bei dem sich die Aktmodelle verschämt mit Deckeln verhüllten. Die staubigen Gänge waren wie schon vor 30 Jahren mit Historienschinken vollgestellt. Nichts hatte sich verändert. Die Zeit in der einst führenden Kunstakademie der Sowjetunion war stehen geblieben. Eingefroren in einem Schneewittchensarg wurde hier fleißig in der Tradition des sozialistischen Realismus weiter gemalt. Nur Lenin und Marx waren verschwunden, dafür standen jetzt inflationär gemalte russische Landschaften mit goldenen Kirchenkuppeln neben blutleeren Aktmodellen auf den Staffeleien. Auf dem Schrottplatz des sozialistischen Realismus türmen sich über die Relikte der untergegangenen Pracht und Größe der UdSSR die Neuinterpretationen eines neu erwachten nationalorthodoxen Russlands. Hier also werden die Bilder für Putins Geheimdienst-Kapitalismus geschaffen.

die Bulldozer Ausstellung

Auf dem Linolschnitt Kulturkampf stehen sich Ost-Kunst und West-Kunst unversöhnlich gegenüber. Ein Austausch findet nicht statt. Während die Werke der Künstler der Open Air „Bulldozer Ausstellung“ an der Metrostation Beljajewo (1974) vom KGB niedergewalzt wurde, zirkulierte davon unberührt wenige Jahre später auf der Documenta 6 der Honig durch die Schläuche der Honigpumpe von Beuys (1977). Die westlichen Minimalisten, Konzeptionalisten und Popartisten haben sich auf dem Linolschnitt im Spinnennetz des CIA verfangen.

Während auf der kapitalistischen Seite der Monopoly-Mann ins Bild geprescht kommt, zeigt Lenin im kommunistischen Lager auf einen Fliegenpilz, der auf die Künstlergruppe Muchomory (Fliegenpilze) verweist und dessen Pilzhut von der einsamen Figur aus Ilya Kabakovs Installation "He Lost His Mind, Undressed, and Ran Away Naked" (1990) durchschlagen wird. Auf einem märchenhaft anmutenden Nachtbild geben sich die russischen Nonkonformisten und Moskauer Konzeptualisten ein Stelldichein.