MIT KRIEG SPIELT MAN NICHT
Linolschnitt 2022, (720 cm x 200 cm)
Es mag anmaßend sein, eine Arbeit über die Ukraine zu konzipieren, solange der Krieg dort noch tobt. Der Ausgang ist nach über zwei Jahren weiterhin unsicher und niemand weiß, welche Verbrechen noch zum Vorschein kommen werden. Der Linolschnitt „Mit Krieg spielt man nicht“ ist somit eine „Kriegsabschnittsarbeit“.
Als „Pixelreporter“ in eigener Sache hat sich Florian Haas seit dem 24. Februar auf den Weg gemacht und ins Bild gesetzt, was seit Monaten über die Bildschirme flimmert. Nur mit der Tiefenschärfe hapert es etwas bei dem großformatigen Linolschnitt. Die Bilder sind stark aufgepixelt und erinnern an frühe Computerspiele. Thematisch passt das sowohl zu den abgebildeten Kampfhandlungen als auch zu dem Muster, welches das Wandbild rahmt.
Das den gesamten Linolschnitt umlaufende Muster geht auf eine ukrainische Stickmustersammlung für Kreuzstiche aus der Region Chernihiv zurück. Das Karomuster war der Ausgangspunkt für das Raster, auf dem sich die Elemente des Wandbilds generieren.
Die Grundeinheit des Rasters bildet ein stark vergrößertes Pixels von 6 Millimetern, das genau zwei Zustände annehmen kann: Schwarz und Weiß. Das entspricht genau 1 Bit, dem Material aus dem sich unsere digitale Welt zusammensetzt. Schwarz oder Weiß, An oder Aus, Wahr oder Falsch. Und bei Wahr oder Falsch stellt sich sofort die Frage aufs Neue, was ist in diesem Krieg, der eine neue Weltordnung einläutet Realität und was Fake News. Die so wichtigen Zwischentöne, die Grautöne sind auf dem Wandbild verschwunden. Hier hat jemand am Regler gedreht und den Kontrast auf Schwarz gestellt. Und unscharf ist das Bild auch noch, vieles darauf ist nur mit zusammengekniffenen Augen zu erkennen.
Sichtbar werden hier die Bezüge zu der sogenannten Pixel-Art, die aus Retro-Rastergrafiken besteht, die das beschränkte Auflösungsvermögen von Bildschirmen als Stilmittel bewusst herausstellen. Die Schnittstellen zwischen der Wandarbeit und Pixel-Art ergeben sich aus der Definition, dass Pixel-Art durch das manuelle Bearbeiten auf „Pixelniveau“ erzeugt wird und dabei mit hohen Vergrößerungen arbeitet. Jedes Pixel wird sorgfältig gesetzt, um ein gewünschtes Resultat zu erzielen.
Einzelnen Elemente auf dem Wandbild sind direkt aus Computerspielen entlehnt. Andere wurden aus fotografischen Vorlagen erzeugt. So gehen Teile des Kriegsgeräts, insbesondere die Panzer auf afghanische Kriegsteppiche zurück. Das gemeinsame Motiv aller handgeknüpften Teppiche ist der Krieg mit seiner modernen Waffentechnologie. Das Spektrum reicht von der Verherrlichung der Terroranschläge auf das World Trade Center bis hin zu dem Einsatz von Kampfdrohnen im Krieg gegen den Terror.
Akteure des Kriegs wie Putin, Selenski und Gerhard Schröder stechen alleine durch ihre Größe aus dem Bild hervor. Sie sind über ihre Konterfeis deutlich zu identifizieren. So hält Putin mit entblößtem Oberkörper eine Ramme in den Händen, mit der er den ukrainischen TV - Präsidenten erschlagen will. Das Motiv geht auf ein Propagandaplakat aus dem Dritten Reich zurück. Auf dem Original ist eine Ramme mit Hakenkreuz zu sehen, die auf ein Bankgebäude der internationalen Hochfinanz niedergeht.
Das Gesicht des Altkanzlers Schröder taucht dagegen aus dem Meer auf. Er betrachtet die Gasleitung North Stream, die um das gesamte Bild führt. Nicht weit von seinem Kopf entfernt explodiert die Moskwa, das Flaggschiff der russischen Schwarzmeerflotte.
Der ein oder anderen Betrachter mag vielleicht auf dem ersten Blick den lapidaren Umgang mit dem Thema Krieg missbilligen. Mit Krieg spielt man nicht. Doch gerade den Opfern der Kriegsverbrechen wird hier besonders gedacht. Die Orte der Gräultaten tauchen als Schriftzug immer wieder unvermittelt an verschiedenen Stellen der Wandarbeit auf.
Die Arbeit „Mit Krieg spielt man nicht“ wurde ermöglicht durch: Sonderförderprogramm NEUSTART KULTUR: NEUSTARTplus-Stipendium Stiftung Kunstfonds zur Förderung der zeitgenössischen bildenden Kunst