SANS TOIT NI LOI

2023
Sandrine Bonnaire Vogelfrei width='300'

SANS TOIT NI LOI

Linolschnitt 2023 1440 cm x 200 cm

Der großformatige Linolschnitt „Sans toit ni loi“ ist der Versuch, das künstlerische Strandgut meines Freunds Uwe wieder einzusammeln und daraus ein Künstlerporträt zu erstellen. Exemplarisch wollte ich mit dem Historienbild eine Biografie zwischen akademischem Kunststudium, Punk, dem Aufbegehren der jungen Wilden und „Züri brennt“ rekonstruieren.

Ganter Bier

Uwe

Und bei dem Versuch ist es dann auch geblieben. Von Uwes Kunst hat nicht viel die Zeit überstanden. Studienarbeiten, ein paar Fotokopien von Zeichnungen und die Erinnerungen an Bilder, wie das von ­Marianne Bachmeier, die den Mörder ihrer Tochter im Gerichtssaal erschoss, oder das Porträt des damaligen Bundespräsidenten Karl Carstens mit seinem Hund im Garten.

Karl Carstens mit Hund

Karl Carstens mit Hund

Temps perdu. Was bleibt, sind Erinnerungen und Bruchstücke, die auf den Wänden des ehemaligen Autonomen Zentrums AZ (1981–1985) in Freiburg wieder auftauchen. Die Fische, die Uwe in seiner Zeit an der Kunstakademie gezeichnet hat, schauen aus ihrem Aquarium grimmig auf mich herab, und Frösche versuchen auf einer viel befahrenen Straße nicht überfahren zu werden. Es sind die Frösche von „Frogger“, die ihr sicheres Ziel erreichen wollen. Dieses Computerspiel der ersten Generation haben wir einen Sommer lang in einer Bar in San Cipriano gespielt.

Schwabentor Freiburg

Schwabentor in Freiburg

Dichtung und Wahrheit. Aus welchem Material setzen sich Erinnerungen zusammen? Wie konstituiert sich das kollektive Gedächtnis an die Zeit der Hausbe­setzungen in Freiburg? Die frühen Achtzigerjahre, in denen sich der NATO-Draht durch die Stadt zog und die Schaufenster der Ladengschäfte auf der Kaiser-Joseph-Straße mit Sperrholzplatten vernagelt waren. Etwas pathetisch fragte mich einmal Uwe: „Auf welcher Seite stehst du?“

Demonstration Polizei

Demonstration

Wie auf einem mittelalterlichen Palimpsest überlagern sich auf dem großformatigen Linolschnitt politische Parolen, Namen von legendären Punkbands, Plakate mit Konzertankündigungen und die Gravuren von Besuchern, die sich im Putz verewigt haben. Ein Geruch von kaltem Zigarettenrauch, abgestandenem Bier und Hinterhoftoiletten liegt in der Luft. Fremde Wesen besiedeln die Wände des Autonomen Zentrums. Demonstranten auf der Brücke der Universitätsbibliothek schauen auf das Treiben an der Bar hinunter. Weitere Demonstranten ballen sich in Trauben in den Nischen und fordern Wohnraum ohne Schläge. Und dann ist da noch die allgegenwärtige Polizei, die das Geschehen aufmerksam beobachtet.

Großformatiger Linolschnitt sans toi ni Loi

Gesamtansicht

Großformatiger Linolschnitt sans toi ni Loi

Gesamtansicht

Die Arbeit „Ni toi ni Loi“ wurde ermöglicht durch: Sonderförderprogramm NEUSTART KULTUR, Stiftung Kunstfonds zur Förderung der ­zeitgenössischen bildenden Kunst

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Bilder

Marianne Bachmeier mit Punk width='300'